Die G-Klasse sollte ursprünglich ein kleiner UNIMOG werden

Ende der 60er-Jahre war das UNIMOG-Programm, ausgehend vom kleinen „Ur-Unimog“ U25, zu einer stattlichen Modellpalette angewachsen, die neben dem kleinen ursprünglichen Unimog in seinen Evolutionsstufen der Baureihen 70.200 (noch bei der Firma Böhringer), 2010, 401, 402, 411 und schließlich dem in seinen Abmessungen leicht vergrößerten 421, auch bereits den deutlich größeren, als militärischen hochgelängegängigen LKW im Nutzlastbereich von 1,5t konzipierten Unimog 404 in der Baureihenserie 404.1 hervorgebracht hatte, sowie auch die erste schwere Baureihe 406 mit großem  LKW-Dieselmotor und die auf ihr basierenden Baureihen 416 (längerer Radstand) sowie 403 und 413 (etwas schwächer motorisiert). Siehe zum Modellprogramm auch: Beschreibung der Baureihen bis 1976

Während die Ur-Unimog Baureihen bis zum 421 die klassische universelle Mischung aus Ackerschlepper, Geräteträger und Transportfahrzeug waren, wobei einhergehend mit dieser Funktionsvielfalt recht deutliche Einschränkungen in der Anwendung als Transportfahrzeug hingenommen werden müssen, der geringen Höchstgeschwindigkeit wegen, waren die Baureihen 404 sowie 406 (samt 416, 403 und 413) eher dem Transportbereich zugeordnet, allesamt im Nutzlastbereich von etwa 1,5t, mit etwas mehr als 2m Fahrzeugbreite und einer Länge von zwischen 4,1m und etwa 5,5m, je nach Baureihe und Aufbau.

Aufgrund der von der Bundeswehr, als ihr mit Abstand größter Abnehmer, der Baureihe 404 auferlegten Veränderungssperre, war diese nach nun etwa 15 Jahren Bauzeit und über 60.000 verkauften Exemplaren so langsam etwas aus der Zeit geraten. Insbesondere weil der Trend bei Transportfahrzeugen nun eindeutig zum Diesel ging, statt wie zuvor der besseren Wintertauglichkeit wegen zum Benziner. Die Produktionszahlen des 404 sanken sehr deutlich und die insbesondere von dieser Baureihe zuvor ausgegangene kosteneinsparende gute Auslastung der Produktionskapazitäten (Fertigungsauslastung) von Daimler-Benz entwickelte sich negativ.

Man schaute sich daher auf dem Markt nach anderen erfolgreichen Geländefahrzeugen und deren Absatzmärkten um und wurde mit dem 1948 erschienenen und weltweit ausgesprochen erfolgreichen Land Rover fündig. Die Absatzzahlen dieses in mehr als 90 Länder verkauften Fahrzeugs mit etwa einer Tonne Nutzlast waren im Zeitraum von 1965 bis 1970 etwa 10x höher als die der Baureihen 404 und 406 (inkl. der oben genannten Geschwistervarianten) zusammen. Also gingen die Überlegungen bei Daimler-Benz in die Richtung, entweder eine bestehende Baureihe so zu modifizieren, dass ein vom Preis und der Gewichtsklasse her mit dem Land Rover konkurrenzfähiges UNIMOG-Modell entsteht oder alternativ auf Grundlage von bestehenden Aggregaten und Baugruppen „unterhalb“ der bestehenden Baureihen eine weitere zu entwickeln, die diese Rolle einnimmt. Ersteres wurde recht schnell als nicht realisierbar eingestuft und für Zweiteres fertigte man Anfang der 70er-Jahre eine umfangreiche Studie an.

Diese Studie, in der die neue Baureihe die Nummer 414 trug, resultierte letztendlich nicht in einem Entwicklungsauftrag. Dies hatte mehrere Gründe. Die Konstruktionsabteilung war zu dieser Zeit sowohl mit der Entwicklung der MB-Trac Baureihen und der neuen schweren Baureihen 425, 435 und 424 beschäftigt, wodurch die zeitnahe Neuentwicklung einer weiteren Baureihe, man ging von etwa 3 Jahren Entwicklungszeit aus, generell ein schwieriges, bis hin zu unmögliches Unterfangen gewesen wäre. Zudem wären, dies ergab die Studie, sehr kostenintensive und somit für das Unternehmen risikobehaftete weitgehende Modifikationen bestehender und auch die Entwicklung ganz neuer Aggregate und Baugruppen von Nöten gewesen, um einer solchen das UNIMOG-Programm nach unten erweiternden neuen Baureihe 414 die gewünschten Eigenschaften zu geben. Diese sollten gemäß dem in der Studie entwickelten Lastenheft die Konkurrenz von Land Rover nämlich in allen Punkten merklich übertreffen, dazu hatte man sich bei Daimler-Benz damit beschäftigt, was Kunden am Land Rover verbesserungswürdig fanden. Beginnend mit der Geländegängigkeit, der Kippsicherheit und der praktikablen Nutzlast im Gelände, über Laderaum und Reichweite bis hin zu geringerer Reparaturanfälligkeit, der weltweiten Verfügbarkeit von Ersatzteilen und so weiter, sollte der geplante UNIMOG dem Land Rover überlegen sein. … All dies war jedoch, dies war das Ergebnis der Studie, personell und mit vertretbarem Risiko im Bereich UNIMOG bei Daimler-Benz damals nicht machbar und mit weniger anspruchsvollen Zielen wollte man das UNIMOG-Markenimage nicht beschädigen. Es wurde also nichts aus dieser neuen Baureihe.

Die Arbeit an der Studie sollte aber nicht ganz umsonst gewesen sein. Denn zum einen flossen einige der Erkenntnisse durchaus in spätere Baureihen mit ein und zum anderen waren diese Überlegungen zu einer Konkurrenz für den Land Rover innerhalb des UNIMOG-Fahrzeugsortiments − wenn es auch nicht historisch sauber belegt werden kann − wohl der Beginn der Entwicklung des G-Modells in der Daimler-Benz AG, welches bis heute unter dem in den Neunzigern (im Zuge der Namensumstellung aller Daimler-Benz PKW) eingeführten Namen „G-Klasse“ in äußerlich weitestgehend unveränderter Form gebaut wird und welches sich weltweit eines großen Erfolgs erfreut und dabei eine Art Legendenstatus erlangt hat, ähnlich den UNIMOG-Modellen.

1971, also kurz nach dem Verwerfen der oben beschriebenen Pläne aufgrund der Ergebnisse der Studie, begann Daimler-Benz eine Kooperation zur Entwicklung eines Fahrzeugs mit der österreichischen Firma Steyr-Daimler-Puch, die ebenfalls ein geländegängiges Fahrzeug in der etwa 1t-Nutzlast-Klasse entwickeln wollte und die bereits mit dem Halflinger und dem Pinzgauer über Erfahrungen in diesem Segment verfügte. Die Firma Steyr-Daimler-Puch ging 1934 aus den Steyr-Werken, Austro-Daimler und Puch hervor, wobei Austro-Daimler keine Tocher der Daimler-Benz AG war, sondern eine 1899 gegründete Tochter der Daimler-Motoren-Gesellschaft, aus der zusammen mit Benz & Cie 1926 die Daimler-Benz AG hervorgegangen war.  Das „Daimler“ in der damaligen Steyr-Daimler-Puch AG − die heute nicht mehr existiert, die Rechte und Werke gingen an Magna, MAN und Steyr Motors − kommt also nicht von der Daimler-Benz AG. In Sachen G-Modell waren Daimler-Benz und Steyr-Daimler-Puch gleichberechtigte Partner. Die Produktion fand (und findet noch heute) in Graz statt. In Österreich und der Schweiz wird das G-Modell (heute G-Klasse) unter dem Namen Puch vermarktet, im Rest der Welt unter der Marke Mercedes-Benz.

Es hält sich an einigen Stellen im Internet hartnäckig das Gerücht, die Entwicklung des G-Modells sei vom damaligen Großaktionär von Daimler-Benz, dem Schah (eine Art Kaisertitel) von Persien (Iran), Mohammad Reza Pahlavi, angestoßen worden, indem er 20.000 geländegängige Fahrzeuge für die iranische Armee orderte. Nachweislich begannen die Arbeiten an diesem geländegängigen PKW aber wie oben beschrieben bereits 1971 und sie fussten mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf den oben skizzierten zuvorigen Überlegungen zu einer das Sortiment nach unten erweiternden neuen UNIMOG-Baureihe. Dass der Schah von Persien pünktlich zur Einführung des G-Modells im Jahr 1979 im Zuge der Islamischen Revolution gestürzt und durch ein Mullah-Regime unter Ajatollah Ruhollah Chomeini ersetzt wurde, womit die Bestellung der 20.000 Fahrzeuge hinfällig war, bedeutete zunächst keinen guten Start für das neue Fahrzeug. Wie wir ja aber heute wissen, tat das seinem Erfolg keinen Abbruch.

Die später geplatzte Order aus Persien seitens eines Großaktionärs war also nicht der Beginn der Entwicklung des G-Modells, sondern beschleunigte sie allenfalls. Eine weitere Legende die man selbst in einigen Fachzeitschriften lesen kann, besagt, dass das G-Modell als (unter anderem) auch militärisch eingesetztes Fahrzeug in Deutschland aufgrund irgendwelcher Einschränkungen seitens der Alliierten nach dem 2. Weltkrieg nicht hergestellt werden darf und die Produktion deshalb in Österreich stattfindet. Das ist kurz gesagt Quatsch und wird unter anderem vom Unimog 404 widerlegt. Spätestens seit der Gründung der Bundeswehr und dem NATO-Beitritt, beides in 1955, dem Jahr in dem auch die Serienproduktion des Unimog 404 begann, bestehen keine solche Einschränkungen mehr.

Insgesamt kann man also sagen, dass die heutige G-Klasse eine Art kleiner Bruder der UNIMOG ist und dass er speziell auch mit dem Unimog 404 eine gewisse nähere Verwandschaft hat, da es insbesondere seine Eigenschaften als hochgelängegängiges Transportfahrzeug waren, die man auf ein kleineres und leichteres Fahrzeug übertragen und in Konkurrenz zum damaligen Land Rover setzen wollte und da es vor allem auch sein damaliger Produktionsrückgang war, der damit innerhalb des Daimler-Benz Konzerns ausgeglichen werden sollte.

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