Der Unimog 404, der auch Unimog-S genannt wird, ist ein speziell für das Militär entwickelter extrem geländegängiger Allrad-LKW, der von 1955 bis 1980 im Mercedes-Werk Gaggenau gebaut wurde. Das ab 1955 zunächst in einer etwa 1.400 Exemplare umfassenden Vorserie mit 2670 mm Radstand und ab 1956 als Hauptserie mit 2900 mm Radstand gebaute Fahrzeug ist die vierte und mit insgesamt 64.242 produzierten Einheiten die bis heute meistgebaute Baureihe der Unimog-Fahrzeugfamilie.
Extrem verwindungsfähig dank gekröpftem und genietem Leiterrahmen:
Der Unimog 404 ist die erste Unimogbaureihe mit gekröpften Leiterrahmen. Bei dieser Kröpfung handelt es sich um einen Versatz der beiden Längsträger des Leiterrahmens um circa 20 Zentimeter nach unten, auf einem etwa 1,2 m langen Teilstück ihrer Länge, im Bereich ab unterhalb des Fahrer- und Beifahrersitzes beginnend, nach hinten verlaufend bis unter den vorderen Teil der Ladefläche beziehungsweise des Aufbaus. Dieser Versatz stellt eine Sollbiegestelle dar und ermöglicht – vergleichbar mit unserem S-förmigen Rückgrat – eine erweiterte Torsionsfähigkeit. Insgesamt 10 Querverbindungen zwischen den beiden Längsträgern in O- oder Z-Form, die alle unterschiedlich aufgebaut sind und für genau die richtige Mischung aus Stabilität und „Verdrehfähigkeit“ sowie einem möglichen „parallelen Versatz“ der Träger innerhalb eines gewissen Rahmens sorgen, sind biegeweich mit den Trägern vernietet.
Die Vernietung sorgt, ähnlich wie es aus dem Flugzeugbau bekannt ist, für zusätzliche Verwindungsfähigkeit und dauerhafte Stabilität. Schraubenfedern (Spiralfedern) an allen vier Rädern ermöglichen außerdem ein besonders starkes Einfedern, so dass auch in extremem Gelände möglichst große Traktion durch ein Aufliegen aller Räder auf dem Grund ermöglicht wird. Die Kröpfung des Leiterrahmens ermöglicht zudem, dass ein Reserverad links am Fahrzeug zwischen dem Rahmen und der Ladefläche Platz findet. Gerüchten zufolge war es auch genau diese Anforderung, ein Reserverad platzsparend unterhalb der Ladefläche unterbringen zu können, im Lastenheft der französischen Militärs, welches ja den Anstoß zur Entwicklung des Unimog 404 gab (siehe auch den entsprechenden Abschnitt zur Geschichte des Unimog: Die Entwicklung ab 1950 bis zum Unimog 404 in 1955), die erst zu der Kröpfung des Leiterrahmens führte, was sich dann aber als in der soeben beschriebenen Weise zusätzlich sehr vorteilhaft für die Verwindungsfähigkeit und somit die Gelängegängigkeit des Fahrzeugs zeigte. Neben den bereits genannten Punkten schafft diese Kröpfung zudem den Raum, um den Antriebsstrang aus Motor, Kupplung und Getriebe nach hinten hin leicht abfallend im Rahmen geschützt lagern zu können und einen geradlinigen Abgang der Kardanwelle (im Schubrohr) zur Hinterachse zu ermöglichen.
Große Bodenfreiheit dank Portalachsen:
Mittels Radvorgelegen, das sind kleine Getriebe an allen vier Rädern, sind die Achsen des Unimog 404 höhergelegt. Das heißt, sie sind nicht radmittig sondern etwas höher angesetzt. Diese Portalachsen genannte Bauart der Achsen sorgt für eine große Bodenfreiheit von etwa 40 Zentimetern, denn der tiefste Punkt am Gehäuse der an Vorder- und Hinterachse
befindlichen Differenziale befinden sich nun in etwa in Höhe der Radmitte, statt wie es bei herkömmlichen Achsen der Fall ist, ein gutes Stück darunter. Portalachsen sind eine Erfindung der Unimog-Entwickler und kamen erstmals beim sogenannten Böhringer-Unimog (Unimog 70.200) bei einem Serienfahrzeug zum Einsatz. Siehe hierzu auch den Artikel zur Geschichte des Unimog, in welchem auch das erste und wichtigste Patent zum Unimog-Konzept näher betrachtet wird, in welchem diese Art von Achsen definiert wird.
Legendäre Geländeeigenschaften:
Diese bisher beschriebenen Eigenschaften, zusammen mit dem zuschaltbaren Vorderradantrieb zum standardmäßigen Hinterradantrieb (nichtpermanenter Allradantrieb) und im Zusammenspiel mit den ebenfalls zuschaltbaren Differentialsperren hinten und vorne, die nur gemeinsam zuschaltbar sind, sorgen in Summe für die geradezu legendären Fahreigenschaften des Unimog 404 im Gelände. … In folgendem alten Werbefilm von Mercedes-Benz sieht man die Geländegängigkeit auf beeindruckende Art und Weise. Der Film öffnet sich nach Klick in einem neuen Browserfenster und startet bei Minute 1:30, wo die eindrücklichsten Szenen starten und bis etwa zur Minute 5:00 andauern.
Außenmaße:
Mit je nach Art des Aufbaus (Pritsche, Koffer, etc.) zwischen etwa 2070 mm und 2140 mm Breite (abhängig vom Aufbau, ohne Außenspiegel gemessen), etwa 4930 mm Länge, einer Höhe des Fahrerhauses von etwa 2250 mm und einer Höhe des Aufbaus von bis zu etwa 2650 mm (beim Kofferaufbau), ist der Unimog 404 nach heutigen Verhältnissen ein recht kompakter LKW. Zum Zeitpunkt seines Erscheinens war er aber der mit Abstand größte Unimog.
Gewicht des Unimog 404:
Nur mit Fahrerhaus und Fahrwerk, hinten also der offene Leiterrahmen, wiegt ein Unimog 404 ungefähr 2.300 Kg, abhängig auch von der genauen Ausstattung, also ob das Fahrerhaus offen ist oder geschlossen, ob eine Anhängerbremsanlage verbaut ist und dergleichen. Mit Pritsche wiegt er knapp 2.900 kg und mit leerem Funk-/Sanitär-/Multifunktionskoffer etwa 3.200 kg.
Motor M180:
Der ganz überwiegende Teil von etwas mehr als 99 Prozent aller Unimog 404 wurde mit dem Mercedes-Motor M180 ausgeliefert, einem Sechszylinder-Benziner mit knapp 2,2 Liter Hubraum. Die Mehrzahl davon hat 82 PS. Es gab aber auch je nach genauer Motorvariante (unterschiedliche Verdichtung) Exemplare mit geringfügig anderen Leistungen. Insbesondere in der Anfangszeit wurde wohl mit 85 PS experimentiert, aber auch mit 75 PS und 80 PS. Später gab es insbesondere für Feuerwehren auch einige Fahrzeuge mit 92 PS. Die Höchstgeschwindigkeit, die zu erreichen dem Unimog 404 in jedem Fall ein gutes Stück Anlauf abverlangt, beträgt etwa 95 Km/h. Der M180-Motor kommt mit Normalbenzin (91 ROZ) aus, selbst dann, wenn es von sehr schlechter Qualität ist (sogenannter „Beute-Sprit“).
Motor M130:
Ab 1970 entstanden knapp 600 Unimog 404 mit dem stärkeren 2,8-Liter-Sechszylindermotor M130 mit 110 PS, der den Wagen auf bis zu etwa 110 km/h beschleunigt. Diese Leistung erbringt der Motor aber nur mit Superbenzin (95 ROZ), nicht mit Normalbenzin. Es sind beziehungsweise waren also insgesamt nur weniger als 1 Prozent aller produzierten Unimog 404 mit diesem stärkeren Motor ausgestattet.
Die Bezeichnungen “Unimog 404.1” und “Unimog 404.0”:
Ab 1970 gab es zusätzliche Baumuster (Varianten) in der Unimog 404-Baureihe, die unter der Bezeichnung Unimog 404.0 zusammengefasst werden und die am Ende der Produktionszeit etwa 1.800 Einheiten, also knapp 3 Prozent aller Unimog 404, ausmachten. Die bisherigen und auch weiterhin nach 1970 angebotenen Baumuster werden unter der Bezeichnung 404.1 zusammengefasst. Die im letzten Absatz erwähnten mit dem M130 etwas stärker motorisierten Varianten befinden sich bis auf 46 Ausnahmen alle unter den 404.0 Baumustern und machen von diesen etwa ein Drittel aus. Die neu hinzugekommenen Baumuster weisen auch noch einige andere kleine Änderungen gegenüber den ursprünglichen Baumustern auf. Siehe hierzu auch den Artikel „Baumustervielfalt beim Unimog 404 (Typenkunde)“ sowie, was die Bezeichnungen angeht, den Beitrag „Erklärung der Unimog-Typenbezeichnungen“.
Lenkung:
Die mechanische Kugelumlauflenkung der ursprünglichen 404.1 Unimog-Baumuster hat generell keine Lenkkraftunterstützung. Bei den 404.0 Baumustern, die ab 1970 hinzukamen, konnte hingegen eine Lenkkraftunterstützung (Kugelmutter-Hydrolenkung) als Sonderausstattung bestellt werden.
Bremsen:
Gebremst wird bei allen Unimog 404 mit Trommelbremsen über ein einkreisiges Hydrauliksystem, das rein mit dem Druck des Bremspedals arbeitet, welches daher recht schwergängig ist. Man konnte als Sonderausstattung auch eine sogenannte Druckluft-Bremshelfanlage für die Fahrzeugbremse ab Werk einbauen lassen oder nachrüsten, bei welcher mittels Druckluft, erzeugt von einem Kompressor, der Druck der Bremsflüssigkeit erhöht und die Bremswirkung somit verstärkt wird. Insbesondere wenn eine schwere Beladung vorgesehen war (zum Beispiel bei Tanklöschfahrzeugen (TLF) durch ihren Löschwasservorrat), wurde dies vorgenommen. Dieser Anlage wurde oft zudem für den Anhängerbetrieb eine Einleitung- oder Zweileitung- Anhängerbremsanlage als weitere Sonderausstattung hinzugefügt, die das Bremsen eines Anhängers per Druckluft ermöglichte. Genannt wird diese Zusatzausstattung heutzutage bei Fahrzeugbeschreibungen meistens nur Druckluftbremse. Ob damit nur die Bremskraftverstärkung für die hydraulische Bremse des Unimog selbst oder auch die Anhängerbremsanlage gemeint ist oder nur die Anhängerbremsanlage ohne Bremsunterstützung für den Unimog selbst, was es auch gab, muss man beim Vorbesitzer erfragen. Außerdem gab es auch ein Unterdruckbremsgerät als Sonderausstattung, mit welchem der Druck der Bremsflüssigkeit mittels Unterdruck vom Krümmer, also ohne Kompressor, erhöht wird. Auch dies unterstützt also die Bremswirkung der Fahrzeugbremsen selbst. Wenn keine Anhängerbremsung erforderlich war, stellte dies eine günstigere Variante der Bremskraftunterstützung dar.
Getriebe:
Der Unimog 404 verfügt, bis auf die 1955 gebauten ersten 300 Exemplare der Anfangsserie, über das vollsynchronisierte 3-Wellengetriebe UG1/11-II. Die „1“ steht für das erste Unimog-Getriebe und die „11“ steht für 110 Nm (Newtonmeter) maximalem Eingangsdrehmoment. Es hat 6 Vorwärts- und 2 Rückwärtsgänge. Das „–II“ im Getriebenamen steht für die synchronisierte Version des in den zuvor erschienenen Unimog-Baureihen (70.200, 2010, 401 und 402) eingesetzten unsynchronisierten Getriebes UG1/11, welches auch noch nach Erscheinen des Unimog 404 zunächst noch weiterhin im Unimog 411 eingesetzt wurde, bevor auch in diesem Fahrzeug ab 1957 die synchronisierte Version als Sonderausstattung bestellbar wurde und ab 1959 zur Serienausstattung wurde.
Besonderheiten bei der Bedienung von Getriebe, Allrad und Sperren:
Mittels eines getrennten Wahlhebels können die beiden ersten Gänge von Vorwärts auf Rückwärts umgeschaltet werden. Dabei ist die Umschaltung auf Rückwärts nur möglich, wenn zuvor beim Hauptwahlhebel der erste oder zweite Gang eingelegt wurde. Angefahren wird herkömmlicherweise im dritten Gang. Die ersten beiden Gänge sind für das Gelände gedacht, zum Rückwärtsfahren und bei starken Anstiegen. Ein weiterer Wahlhebel in der Schaltkulisse kann in zwei Stellungen einrasten. Mit der ersten wird der Allradantrieb durch Zuschaltung des Vorderradantriebs eingeschaltet, was ohne Kuppeln während der Fahrt geschehen kann. Ebenfalls ohne auszukuppeln, und während der Fahrt kann mit der zweiten Hebelstellung die Differenzialsperre (Ausgleichssperre) vorne und hinten (gleichzeitig) aktiviert werden. Während der zuletzt genannten Umschaltvorgänge während der Fahrt sollte kein Rad gerade durchdrehen, ansonsten muss zunächst angehalten werden: Das Bewegen des Schalthebels von der Leerlaufstellung zwischen dem dritten und dem vierten Gang nach links in den Bereich der ersten beiden Gänge ist ein Schaltvorgang, für den zuvor ausgekuppelt werden muss. Vor dem Schalten in den vierten bis sechsten Gang muss zuvor der dritte Gang eingelegt worden sein, sonst sperrt der Wahlhebel aufgrund einer Schaltsicherung. Dies verhindert insbesondere ein versehentliches Schalten von dem Zweiten in den fünften Gang. Siehe zur Bedienung auch: Betriebsanleitung Unimog 404
Geschlossenes Ganzstahlfahrerhaus:
Bei den ab 1970 hergestellten neuen 404.0-Baumustern kam überwiegend das geschlossene, kippbare Ganzstahlfahrerhaus aus der ab 1963 gebauten Unimog 406-Baureihe zum Einsatz. Bei den seit 1955 und auch weiterhin nach 1970 produzierten ursprünglichen Unimog 404-Baumustern war hingegen überwiegend das offene Fahrerhaus verbaut, und die dort nur selten vorkommende geschlossene Variante war im Vergleich zu der soeben erwähnten neueren Fassung etwas niedriger und nicht zu Servicezwecken kippbar, sondern fest.
Offenes Fahrerhaus mit Klappverdeck:
Bei dem insgesamt beim Unimog 404 sehr viel häufiger vorkommenden offenen Fahrerhaus ist nicht nur das Verdeck zu öffnen, so dass das Fahrzeug quasi zum „Cabrio“ wird, sondern die Frontscheibe kann nach vorne auf die Motorhaube umgelegt oder mit ein paar Handgriffen sogar ganz entnommen werden, was eine Vorgabe des Militärs war, um bei beschädigten Frontscheinen mit unbeeinträchtigter Sicht weiterfahren zu können. Man kann beim offenen Fahrerhaustyp zudem auch die sogenannten Steckfenster (Seitenfenster) oder gleich die ganzen Türen ebenfalls mit nur wenigen Handgriffen entnehmen. Nach diesen kleinen „Umbauten“ sitzt man dann quasi ganz im Freien – übrigens unangeschallt, denn Gurte gab es damals nicht, weshalb man auch heute noch mit diesen Fahrzeugen ohne Gurt fahren darf. Die offene Fahrerhausvariante ist nicht kippbar.
Genaueres zur Technik und Funktion des Unimog 404, zu seinen Varianten, der Bedienung, Wartung und Reparatur, ist in weiteren Abschnitten des Bereichs Technik verfügbar.